Oberverwaltungsgericht
Münster (OVG) / "Zwei Menschen"
(Byen, Ung-Pil)
Die "Zwei Menschen" des jungen
Südkoreaner Künstlers Ung-Pil Byen (Biographie)
stehen jetzt
in der großen Eingangshalle des Oberverwaltungsgerichts Münster.
Website von Byen,
Ung-Pil
VITA
1970:
Geboren in
Sang-Hyung in Suedkorea
1989- Studium(Freie Kunst) an der Dong-Guk Uni in Seoul
1990-92: Wehrdienst
1996: Studienabschluss(Freie Kunst)
1996: Ankunft in Deutschland
1997- Studium an der Kunstakademie Muenster (Freie Kunst) (Dozent Georg
Hartung)
1999- Mitglied von der Koreanischen Kuenstlergruppe
"0082"
1999- Studium an der Kunstakademie Muenster (Professor Paul Isenrath)
2001- Studium an der Kunstakademie Muenster (Professor Guillaume Bijl)
2002: Ernennung zum Meisterschueler von Prof. Guillaume Bijl
Ausstellungen:
1996
Performance(Spiel
mit Puppe) in der Kyoung-in Galerie in Seoul
2000
Gif-Animation im Hawerkamp Muenster
2001
Dia-Projektion im Hawerkamp Muenster(K)
Aktion "Ein Himmel,Eine Erde,Eine Menschheit"
Duesseldorf(Shadowplatz)
Gruppenausstellung von Koreanische
Kuenstlergruppe "0082" im Kunstverein
Ochtrup(K)
Klassen-Ausstellung(Paul Isenrath) Herford-Stadtmuseum
Film-Festival 2002 Muenster
Foerderpreis der Kunstakademie Muenster, Ausstellung in Hawerkamp
2002
"aus bei mit nach von zu seit" Ausstellung
Junger Kunst in Kuenstlerhaus
Dortmund(K)
"Inter cult 2002", Benno-Haus in Muenster
2003
"WeldeKunstpreis 2003" Weldebrau in
Plankstadt bei Schwetzingen
"Ich Du und Wir" Praxis von Dr.Edith Mikansky,
Dr.Wolfgang Mikansky. Dr.Werne Korte in
Reken(E)
''Kunstakademie MS x 4'' in der Galerie F6 - Kuenstlerdorf Schoeppingen(K)
“Kunstbombe" - Die Kunstmesse im Revier in
Flottmann-Hallen Herne
"Zwei Menschen - Der Schaukasten" Wewerka-Pavillon in
Muenster(E/K)
Preis
2002
Foerderpreis der Foerdergesellschaft der
Kunstakademie Muenster e.V
2003
Kunstbombe - Die Kunstmesse im Revier (2.
Preis) Stipendium
2003
DAAD-Stipendium
fuer auslaendische Studenten
*
E: Einzelausstellung. K: Katalog.
"Zwei
Menschen"
Text von
Prof. Dr. Ferdinand Ullrich
-
Direktor der Museen der Stadt Recklinghausen
"Was ist der Mensch?" - das ist die Kernfrage unserer Existenz.
Immanuel
Kant hat dieser Frage immerhin die erste Priorität in der Stufenfolge
der Philosophie zugewiesen - vor der Ethik, vor der Religion. Denn die
philosophische Anthropologie, die genau diese Frage stellt, enthält in
sich all die weiteren Fragen nach dem, was der Mensch tun soll, was er
hoffen darf, was er wissen kann.
Schon der Titel in Ung-Pil Byens Wewerka-Arbeit provoziert diese Frage
wie selbstverständlich: "Zwei Menschen". Er beschreibt zunächst,
was zu
sehen ist: zwei Menschen. Charakterisiert sind sie durch eine
spezifische Körperlichkeit: der Leib, der Kopf, Arme und Beine, Hände
und Füße. Diese körperlichen Details stehen in einem sinnvollen
Verhältnis zueinander - es gibt keine kubistische Verunklärung. Die
Erfahrung unserer eigenen Leibhaftigkeit wird durchaus bestätigt. Dies
betrifft auch die Haltung der beiden Menschenfiguren: hockend,
nachdenklich, sinnierend, in sich gekehrt und doch den Blick in eine
unbestimmte Ferne schweifen lassend. Menschliche Seelenzustände bekommen
ihren äußeren Ausdruck.
Unverkennbar liegt in den Figuren aber auch eine gegenläufige Tendenz
zur Möglichkeit der Identifizierung des Menschlich-Körperlichen.
Zunächst überschreiten sie das menschliche Körpermaß. Mit einer Höhe
von
fast 3 Metern liegt es jenseits jeder Erfahrung. Ihr körperliches
Volumen ist mit einer ornamentalen Oberfläche belegt, die sich selbst
mit höchster Imaginationskraft kaum als menschliche Haut lesen lässt.
Auch sind die Proportionen der Körperteile bei näherer Betrachtung mit
den Erfahrungen unseres wiedererkennenden Sehens nicht in Einklang zu
bringen. Angesichts natürlicher Körperformen erscheinen sie deformiert.
Gewissermaßen sind sie in ihrem Zusammenspiel überdeutlich bis zur
Abstraktion aufeinander bezogen.
Schließlich sind die Figuren geschlechtslos. Vor allem aber: sie sind
gesichtslos. Die Physiognomie als das entscheidende
Identifikationsmerkmal des Menschen gilt uns als Ausweis seiner
Individualität. Hierin unterscheidet der Einzelne sich sinnfällig von
allen anderen Menschen. Diese Unterscheidung verweigert Byen vollends.
Die Verluste des Individuell-menschlichen in diesen Figuren sind
unverkennbar. So orientiert sich ihr Körpermaß eben nicht an dem, was
man "Lebensgröße" nennen könnte, sondern an der Funktion des
Raumes, auf
das es ausgerichtet ist.
Die dekorativ-ornamentale Oberfläche zeigt ein Muster, wie man es in
Raumausstatterläden findet. Byen hat es sorgfältig ausgewählt - er
wollte die herbstliche Stimmung einfangen - und er hat es mit großer
Mühe in kleinen Läppchen in einer all-over-Struktur auf das
Körpervolumen geklebt. Die Köperteile behandelt er unterschiedslos.
Hierarchien vermeidet er bewusst zugunsten einer körperlichen
Einheitlichkeit und Ganzheit.
Auch die Proportionierung der Körperteile unterstützt die Tendenz zur
Vereinheitlichung. Sie sind gedrungen und liegen eng am Körper, so dass
sie mit ihm verschmelzen. Die Figure werden zur Skulptur, die formalen
Gesetzen gehorcht und nicht den Gesetzen einer naturalistischen
Kunstauffassung. Daraus ergibt sich ihre Geschlechts- und
Gesichtslosigkeit.
Der australische Künstler Ron Mueck (geb. 1958) hat auf der Biennale in
Venedig 2001 eine hockende menschliche Figur gezeigt, die in den
Eingangsbereich der Corderie eingezwängt war. Auch sie war gefangen in
einer Situation der existenziellen Enge. Eigentlich ein Kind (Untitled
(boy)), aber mit 4,90 m Höhe ein Monster, zieht es seine ästhetische
Wirkung aus dem Naturalismus. Selbst die Körperbehaarung wurde täuschend
echt auf den Körper gebracht. Der Widerspruch zwischen der Einlösung
alltäglicher Erfahrung einerseits und dem Unterlaufen des
Erfahrungswissens andererseits bezeichnet das Programm Muecks: das
allgemein Menschliche am Beispiel eines individuell-menschlichen
Daseins. Die Figur Muecks wäre ohne Mühe indentifizierbar als eine
tatsächliche existierende Person, einschließlich ihrer
Geschlechtlichkeit.
Dagegen zielt Byen auf einen archaischen Typus und damit auf die
Abstrahierung alles Individuellen. Er sucht das, was Henry Moore in der
Aztekischen Kunst wie auch in der etruskischen gefunden hat: die
Vereinfachung des Figürlichen zugunsten des Typischen bei gleichzeitiger
Beibehaltung der "Lebenswärme".
Während Moore die hierbei entdeckten "Fugenschnitte" in seinen
Skulpturen als Zeichen von gleichzeitiger Einheit und Trennung
kultiviert hat - bis in seine figürlichen Zeichnungen, die ihre
Plastizität durch ein Liniennetz konstituieren - löscht Byen diese aus.
Er überklebt die Schnittlinien der Einzelelemente der Skulptur. Ohne
eine solche Segmentierung wäre die Gesamtskulptur nicht transportabel
und im Pavillon aufstellbar gewesen, sie ist aber für Byen kein
Gestaltungselement. Er konstituiert die ganzheitliche Erscheinung, deren
Allgemeingültigkeit wie auch Differenzierung er einerseits durch die
Abkehr vom Naturalismus und andererseits durch plastische Gestaltung
sowie Oberflächenbehandlung ermöglicht.
Vergleicht man Byens Ansatz mit dem der kompakten Figürlichkeit, wie sie
sich im Werk des überaus populären kolumbianischen Malers und Bildhauers
Fernando Botero findet, so ist auch hier der Unterschied deutlich.
Boteros Figuren spekulieren auf die harmlose Wirkung der
eindimensionalen Kompression, auf den putzigen Effekt. Dabei darf die
verhaltene Geschlechtlichkeit nicht fehlen.
Von solcherart Oberflächlichkeit ist Byen weit entfernt. Sein Ansatz ist
komplex. Er differenziert vielschichtig zwischen den Wirklichkeitsebenen
und legt dabei dennoch großen Wert auf Anmutungsqualität. Die Schönheit
seiner beiden Figuren ist in der äußeren Erscheinung angelegt, kommt
doch von Innen und erschließt eine umfassende innere und äußere
Wirklichkeit.
War der Wewerka-Pavillon bei Monika Langs Schneewittchen zwar ein
gläserner Sarg und doch ein Schatzkästlein mit einer wertvollen
Preziose, so ist er bei Byen eher eine Einengung, ein Gefängnis. Rücken
an Rücken sitzt das Figurenpaar und blickt in diametral entgegen
gesetzte Richtungen über die Grenzen des Pavillons hinaus. Behausung und
Schutz einerseits sind die Existenzbedingungen dieses Paares und
andererseits ein transzendierendes Potential, das die Grenzen zu
überschreiten trachtet.
Ung-Pil Byen äußert sich in verschiedenen künstlerischen Gattungen.
Malerei spielt dabei eine wichtige Rolle. Er zeigt Bilder von Menschen
und von Köpfen von Menschen, die aufgrund ihrer Malweise und
Wirklichkeitsauffassung Porträts sein könnten, sich dieser Gattung aber
verweigern. Wie in Byens Wewerka-Figuren das Muster der Oberfläche und
die Abstrahierung der Körperdetails die Individualisierung verhindert,
so ist es in seiner Malerei die Grimasse. Er malt verformte Gesichter -
verformt nicht durch künstlerische Mittel, wie z. B. bei Francis Bacon
durch malerische Mittel, sondern sie sind verformt auf der Ebene des
Gegenständlichen selbst.
Bemerkenswert sind in diesem Zusammenhang Byens fotografische Werke. Er
fotografiert Personen, die er vor einem fotografierten Porträt derselben
Person positioniert. Dieses "Bild im Bild" ist identisch mit dem
Bild.
Das, was eigentlich ausschließlich in zeitlicher Abfolge vorstellbar ist
- man kann nur vor seinem eigenen Porträt fotografiert werden, wenn es
zu einem früheren Zeitpunkt schon gemacht worden ist - geschieht hier
mit Hilfe der aktuellen Manipulationstechniken simultan. So wird im
Modus des naturalistischen Abbildes dieses selbst in Frage gestellt.
Auch hier wird die Frage der Individualität und Subjektivität radikal
gestellt, indem die Aura der Einmaligkeit zerstört wird.
Die künstlerische Strategie von Ung-Pil Byen setzt nicht auf
Provokation. Vielmehr spielt er bewusst mit der Wiedererkennbarkeit und
mit allgemeinem Erfahrungswissen, bietet es gewissermaßen als
anmutungshaften Einstieg in seine höchst komplexe Bildwelt an. Dabei ist
auch sein lustvoll-experimenteller Umgang mit den Formen wie auch der
humorvolle Umgang mit dem menschlichen Verhalten offensichtlich. Auch
seine kleinen, computergenerierten Animationsfilme geben ein Zeugnis
davon.
So binden sich die Figuren des Wewerka-Pavillons in eine künstlerische
Welt ein, in der das Kleine und das Große, das Nebensächliche und das
Bedeutende zu einem Einklang finden. Zwei Menschen sind zugleich zwei
gottgleiche Figurinen, und als solche doch ebenbildlich zum Menschen.
Was also ist der Mensch und welches Bild kann man sich von ihm machen?
Die Möglichkeit dieser Frage ist zugleich ihre Antwort. Die Fähigkeit,
diese Frage stellen zu können, ist allein dem Menschen gegeben. Er
allein kann sich ein Bild machen und kann sich vor allem ein Bild von
sich selbst machen.