Günter MALCHOW
Installation
"GETEILTE RÄUME"
St. Johannis Kirche, Herford
Pressemitteilung
Günter Malchow: „Geteilte Räume“. Eine
Ausstellung in der St. Johanniskirche, Neuer Markt, Herford, vom 21.10.
bis zum 10.12.2006, täglich geöffnet von 10.00 bis 18.00 Uhr.
Eine 3,8 m hohe weiße Wand aus dem
Modulsystem von USM Möbelbausysteme hat der Künstler Günter Malchow,
Münster, vor den Altarraum der gotischen Herforder St. Johanniskirche
bauen lassen. Nur zwei schmale Durchgänge und ein großes rotes ins
Violett schimmernde Kreuz durchbrechen das gegliederte Weiß. Ausgehend
von dem Raum der Johanniskirche und der aktuellen Diskussionen um Um-,
beziehungsweise Mitnutzungen von Kirchräumen unterteilt der Künstler den
Raum an der Stelle, wo in vielen Kirchen früher ein Lettner gestanden
hat. Eine solche Mauer trennte damals den Bereich der Priester vom
Bereich des Volkes.
Obwohl nicht in erster Linie dies mit dem Kunstlettner intendiert ist,
werden mit dieser Arbeit doch gerade die Fragen nach der Heiligkeit des
Ortes neu in die Diskussion eingebracht: Gibt es Bereiche der Kirche,
die besonderen Schutz brauchen? Was kann in einer Kirche im Angesicht
von Altar und Kreuz geschehen? Welche Gruppen und Aufgaben können sich
einen Kirchraum teilen? Und wie muss dann dieses Teilen aussehen?
Geht ein Miteinander? Reicht ein zeitliches Nacheinander oder muss etwas
abgetrennt werden? Muss der Raum statt geteilt aufgeteilt werden?
Die Arbeiten von Günter Malchow teilen aber nicht nur den Raum, sondern
sie durchmessen ihn auch neu und verbinden die einzelnen Teile
miteinander. So ist das rote Kreuz im Kunstlettner wie eine besondere
Tür. Von vorn und hinten gleich als Mittelpunkt der trennenden Wand
durchbricht es diese und verbindet die getrennten Teile. Damit steht es
auf der einen Seite in direkter Korrespondenz zum Kreuz des Hochaltars
und des gotischen Fensters. Auf der anderen Seite wird es im Turmzimmer
durch eine Kreuzinstallation aus den Stangen des Modulsystems von USM
Möbelbausysteme aufgegriffen. Weitere Bilder und Objekte hängen im
Eingangsbereich, den Emporen und im Chorraum. Diese abstrakten Arbeiten,
die ihrerseits durch unterteilte Farbräume gestaltet wurden, schaffen
neue Beziehungen der kirchlichen Raumteile. So wird der gotische
Kirchraum als ganzes neu erfahr- und erlebbar.
Als gutes und gelingendes Beispiel für geteilte Räume kann die Zeit der
Ausstellung in der Herforder St. Johanniskirche gelten. Gottesdienste,
bildende Kunst, Konzerte und andere Veranstaltungen teilen sich diesen
besonderen Raum der Johanniskirche ganz selbstverständlich.
Ermöglicht wurde diese Ausstellung mit ihren Installationen durch die
großzügige Unterstützung von USM Möbelbausysteme, Bühl, und akzent im
Raum, Coesfeld, sowie die Bau- und Möbelwerkstatt Heinrich Landwehr, Herford.
Günter Malchow: Geteilte Räume
Texte im Kunstgottesdienst in der Herforder St. Johanniskirche am
21.10.2006
Meditation „Räume“
Ein Raum kann mir Geborgenheit und
Sicherheit geben. Er kann mich umfangen und umschließen, ohne mich
einzuengen. In einem Raum, den ich nutzen kann, eröffnen sich mir viele
Möglichkeiten. Ich kann mich entfalten und so den Raum ausfüllen. Ich
habe dann Raum, um mein Leben zu gestalten und letztlich um zu leben.
Ich brauche meinen Lebensraum.
Schwierig wird es immer dann, wenn mir
mein Raum streitig gemacht oder eingeengt wird. Unmöglich wird es, wenn
mir auch der letzte Raum, der letzte Rückzugsraum genommen wird.
Aber Gott hat uns die Welt als Raum
gegeben, damit wir sie miteinander teilen. Er gibt uns Räume, um Leben
zu ermöglichen.
Meditation „Teilen“
Bei Kindern am Unterrichtstisch oder am
Esstisch kann man es gut beobachten: Der gemeinsame Raum wird streng
aufgeteilt! Der Kniff der Tischdecke, der platzierte Serviettenring,
Stifte und Etuis markieren die festgelegte Grenzlinie. Und diese muss
von beiden Seiten eingehalten werden. Geteilte Räume dienen der
Abgrenzung und der Klarheit. Aber solches Aufteilen geschieht auch immer
wieder ohne markierte Grenzen. Jede und jeder weiß einfach, was sein
Bereich, sein Raum ist, oder es gibt Probleme.
Allerdings gibt es auch ein ganz anderes
Teilen von Räumen. Und auch dies kann man bei Kindern beobachten. Sind
sie einander vertraut und haben sie ein gemeinsames Vorhaben, ist keim
Raum zu klein, als dass man ihn nicht gemeinsam nutzen könnte. Am
intensivsten ist das natürlich in der Liebe. Frei nach dem Schlager
„Komm unter meine Decke“ wollen Liebende jeden Raum teilen und nichts
aufteilen, sondern im Teilen gemeinsam nutzen.
Lesung : Markus 2,1-5
Nach einigen Tagen ging Jesus wieder nach
Kapernaum; und es wurde bekannt, dass er im Hause war. Und es
versammelten sich viele, sodass sie nicht Raum hatten, auch nicht
draußen vor der Tür; und er sagte ihnen das Wort. Und es kamen einige zu
ihm, die brachten einen Gelähmten, von vieren getragen. Und da sie ihn
nicht zu ihm bringen konnten wegen der Menge, deckten sie das Dach auf,
wo er war, machten ein Loch und ließen das Bett herunter, auf dem der
Gelähmte lag. Als nun Jesus ihren Glauben sah, sprach er zu dem
Gelähmten: Mein Sohn, deine Sünden sind dir vergeben.
Ansprache
Es ist ungewohnt in diesem Raum. Sicher,
dieser Kirchraum wirkt, wie es ein Journalist letzte Tage staunend
feststellte, bei jeder Ausstellung völlig anders. Und heute wird eben
die Ausstellung „Geteilte Räume“ mit Arbeiten von Günter Malchow hier
eröffnet. Und doch ist diesmal etwas ganz anders, als wir es sonst schon
hatten. Der Maler Günter Malchow verlässt mit seinen Werken die
Zweidimensionalität. Er verlässt die Wände, die er mit Farbräumen
gestaltet und dringt in den Raum vor. Schon die beiden Objekte im
Eingangsbereich zeigen dies. Diese beiden Wandobjekte beugen sich vor
und bilden einen neuen Raum im Raum. Dabei haben sie sie alle, die sie
heute hier in den Kirchraum gekommen sind, wie ein Portal oder Pforte
begrüßt und in den Raum hineingeführt,
Aber das Ungewohnteste ist doch diese
Barriere, die jetzt den Chorraum unserer gotischen St. Johanniskirche
vom Kirchenschiff abtrennt. Eine 3,8 m hohe weiße Wand aus einem
Möbelbausystem hat Günter Malchow aufbauen lassen. Nur zwei schmale,
niedrige Durchgänge und ein großes rotes ins Violett schimmernde Kreuz
durchbrechen das durch verchromte Stangen gegliederte Weiß. Ausgehend
von dem Raum der Johanniskirche und der aktuellen Diskussionen um Um-,
beziehungsweise Mitnutzungen von Kirchräumen unterteilt der Künstler den
Raum an der Stelle, wo in vielen Kirchen früher ein Lettner gestanden
hat. Auch die Anordnung der Türen und des Kreuzes sowie dessen Beziehung
zum Volks- oder eben deshalb so genannten Kreuzesaltar hat der Künstler
übernommen.
Ein Lettner, wie eine solche Mauer heißt,
trennte damals den Bereich der Priester vom Bereich des Volkes. Der
Hochaltar mit seinen besonderen Funktionen wurde den Blicken der Welt
entzogen. Die heilige Handlung konnte akustisch, aber nicht optisch
mitgefeiert werden. Der Lettner trennte das Heilige von dem Allgemeinen.
Obwohl nicht in erster Linie dies mit dem
Kunstlettner intendiert ist, werden mit dieser Arbeit doch gerade die
Fragen nach der Heiligkeit des Ortes und den daraus resultierenden
Konsequenzen neu in die Diskussion eingebracht: Gibt es Bereiche der
Kirche, die wegen ihrer Heiligkeit besonderen Schutz brauchen? Welche
Veranstaltungen dürfen nicht im Angesicht von Altar und Kreuz geschehen?
Wie weit darf eine Mitnutzung eines Kirchraums gehen, wenn im selben
Raum, wenn auch zu anderen Zeiten, Gottesdienst mit Verkündigung und
Abendmahl stattfindet? Welche Gruppen, Veranstaltungen und Aufgaben
können sich einen Kirchraum teilen? Und wie muss dann dieses Teilen
aussehen? Geht ein Miteinander? Reicht ein zeitliches Nacheinander oder
muss etwas abgetrennt werden? Muss der Raum statt geteilt zu werden,
aufgeteilt werden? Müssen gar Wände eingezogen werden, die den Raum in
Räume zerteilen?
Achten wir bei der Suche nach Antworten
auf das Evangelium dieses Sonntags. Wir haben den ersten Teil daraus
gerade gehört.
Als Jesus in seinem Haus in Kapernaum war,
kamen so viele zu ihm, dass kein Raum mehr war für weitere Besuchende.
Jesus war nach Hause in seine Wohnung, in seine ganz privaten Räume
gegangen. Aber die Menschen seiner Stadt und die Menschen, die ihm
gefolgt waren, ließen ihn nicht allein. Sie liefen ihm bis in seine
privaten Rückzugsräume nach. Alle wollten seine Predigt hören und
drängten sich zu ihm in den Raum, in seinen Raum.
Und Jesus lässt das zu. Er wirft die
Kommenden nicht heraus, sondern heißt sie offenbar willkommen und teilt
mit ihnen seinen Raum. Jesus diskutiert mit Besuchenden und predigt
ihnen. Er tut, was im damaligen Kapernaum normalerweise seinen Raum in
der Synagoge hatte. Aber er teilt nicht auf die verschiedenen Räume auf,
sondern gibt Raum in seinem Raum indem er mit den Wohnraum mit anderen
Menschen und Funktionen teilt.
Und dann kommen noch die Freunde, die
einen Gelähmten bringen wollen. Nur ist eben der Raum voll und kann,
zumindest auf normalen Wegen, nicht mit ihnen geteilt werden. Aber davon
ließen sich die Tragenden, die ihren gelähmten Freund zu Jesus bringen
wollen, nicht abhalten. Ohne Rücksicht auf das Gebäude und ohne sich von
den anderen Menschen und den Andrang entmutigen zu lassen, finden sie
einen Weg. Ungewohnte Pfade sind es, die sie ihrem Ziel, Teil an Jesu
Heil zu haben, näher bringen. Die Freunde öffnen das Dach. Sie wählen
einen bis dahin nicht benutzten Zugang, um zu Jesus zu kommen. Und dann,
als dieser neue Weg offen ist, lassen sie ihren gelähmten Freund samt
seiner Trage zu Jesus herab. Sie teilen nun mit Jesus und den Hörenden
den Raum. Sie indirekt und der Gelähmte ganz direkt.
Als nun Jesus ihren Glauben sah, hat er
sich dem Gelähmten zugewandt ihm seine Sünden vergeben und ihn
schließlich an Leib und Seele geheilt. Der ehemals gelähmte hat Anteil
am ungeteilten Heil.
Wenn wir nun im Licht dieser Geschichte
auf unsere Fragen zurückkommen, dann sehen wir, dass Jesus eben nicht
zwischen dem Ort, da er wohnt, und dem Ort, da gepredigt und das Heil in
seiner Zuwendung wirksam wird, unterscheidet. Er teilt nicht die Räume
auf, sondern teilt sie.
Und so ist auch dieser Kunstlettner beim
näheren Hinsehen nicht nur ein Teilen des Raumes. Die Arbeiten von
Günter Malchow durchmessen den Kirchraum vielmehr auch neu und verbinden
die einzelnen Raumteile miteinander. So ist das rote Kreuz im
Kunstlettner wie eine besondere Tür. Von vorn und hinten gleich als
Mittelpunkt der trennenden Wand durchbricht es diese und verbindet die
zur Zeit getrennten Teile. Damit steht es auf der einen Seite in
direkter Korrespondenz zum Kreuz auf dem Hochaltar, dem ebenfalls
rötlichen Kreuz im Aufbau des Hochaltars und zum gelblichen Kreuz in der
gotischen Glasmalerei im mittleren Chorfenster. Auf der anderen Seite
wird das rote Kreuz im Turmzimmer durch eine Kreuzinstallation
aufgegriffen. Dies frei hängende lichte Kreuz ist aus den gleichen
Stangen des Möbelbausystems konstruiert wie der Kunstlettner und es ist
genauso groß wie das rote Kreuz in diesem.
Weitere Bilder und Objekte von Günter
Malchow hängen im Eingangsbereich, den Emporen und im Chorraum. Diese
abstrakten Arbeiten, die ihrerseits durch unterteilte Farbräume
gestaltet wurden, schaffen neue Beziehungen der kirchlichen Raumteile.
So wird der gotische Kirchraum als ganzes und in seinen Teilen neu
erfahr- und erlebbar.
Als gutes und gelingendes Beispiel für
geteilte Räume kann für meine Begriffe dieser Gottesdienst und der
anschließende Umtrunk sowie die gesamte Zeit dieser Ausstellung in der
Herforder St. Johanniskirche gelten. Predigt, bildende Kunst und Musik
teilen sich einvernehmlich in diesen Augenblicken den Raum, ohne ihn
wirklich aufzuteilen. Beim Umtrunk gleich treten dann für uns auch noch
andere Sinne neben dem Schauen und Hören hinzu. Und im Laufe der
Ausstellungszeit sind hier Gottesdienste und Andachten der evangelischen
und der katholischen Gemeinde, Konzerte, Diskussionen, ein Kinoabend,
Führungen und andere Veranstaltungen. Sie alle teilen sich ganz
selbstverständlich diesen besonderen Raum der Johanniskirche, in dessen
Mittelpunkt das große Kreuz des Kunstlettners gerückt ist. Amen.
Pfarrer Johannes Beer
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